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Schweizerische Rettungsflugwacht Rega, zur Startseite

Kopfüber in der Felswand

Die Rega-Crew der Basis Lausanne rettete einen Patienten, dessen Leben nach einem Sturz vom Klettersteig buchstäblich an einem Faden hing. Kopfvoran über dem Abgrund hängend konnte er die Rega über die App alarmieren.

Yves Apothéloz ist ein rüstiger Rentner aus dem Kanton Neuenburg. Der Skilehrer hat schon rund 20 Klettersteige begangen. An diesem herrlichen Sommertag beschliesst er, den Klettersteig in Noiraigue (NE) zu erkunden. Er packt seinen Klettergurt und den Helm ein und überprüft die Länge der Seile. Der 81-jährige hat in seiner Umhängetasche sein Mobiltelefon mit installierter Rega-App dabei. Neben seiner Kletterausrüstung trägt er an diesem Tag ein ganz spezielles T-Shirt: Sein vor acht Jahren in den Bergen verstorbener Sohn hatte es ihm aus Peru mitgebracht.

Klettergurt rutscht zu den Knöcheln hinunter

Der Klettersteig ist 550 Meter lang und bietet einen herrlichen Blick auf das Val-de-Travers. Beim letzten Hindernis vor dem Ziel nimmt der Ausflug eine abrupte Wendung: Der Klettergurt rutscht Yves Apothéloz von der Taille bis zu den Knöcheln hinunter. Beim Versuch, ihn wieder hochzuziehen, verliert er den Halt und stürzt ins Seil. «Der Klettergurt hielt der Belastung zum Glück stand, umschlang aber nur noch meine Knöchel, sodass ich an den Füssen am Ende der Seile in der Felswand hing», erinnert er sich. Kopfvoran über dem Abgrund hängend und vom Sturz benommen, gelingt es Yves Apothéloz dennoch, sein Telefon aus der kleinen Umhängetasche zu nehmen. Er alarmiert die Rega mit der Rega-App. Dadurch wird sein Standort automatisch an die Einsatzzentrale der Rega übermittelt. 

Einsatzzentrale bietet Helikopter auf

«Als ich das Telefon wieder in die Tasche stecken wollte, rutschte es mir aus der Hand und fiel über die Felsen hinunter», erzählt Yves Apothéloz. Glücklicherweise hat die Einsatzzentrale nach dem kurzen Kontakt bereits die Crew der Rega-Basis Lausanne aufgeboten. Gaby Wild, die Einsatzleiterin in der Einsatzzentrale im Rega-Center, erklärt: «Wenn klar ist, dass eine Person in Not ist und Hilfe braucht und wir den Einsatzort kennen, bieten wir sofort den nächstgelegenen Rettungshelikopter auf.»

Angesichts des schwierigen Geländes, in dem sich Yves Apothéloz befindet, bietet Gaby Wild zusätzlich einen sogenannten Rettungsspezialisten Helikopter des Schweizer Alpen-Club SAC auf. Diese Spezialisten kommen vor allem im unwegsamen Gelände zum Einsatz und sorgen dort für die Sicherheit von Patienten und Notarzt.

Keine Verbindung mehr zum Patienten

Während sie den Einsatz organisiert, versucht Gaby Wild mehrfach, Yves Apothéloz zu kontaktieren. Da keine Verbindung zustande kommt, nimmt sie an, dass er das Bewusstsein verloren hat. Und so beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Bei Yves Apothéloz, der allein in der Felswand hängt, wächst indessen die Angst. «Ich war sehr angespannt. Als ich dann den Helikopter hörte, war das eine sehr grosse Erleichterung.» Seine bei der Alarmierung mit der App übermittelten Standortdaten wurden von Gaby Wild direkt ins Cockpit des Lausanner Rettungshelikopters geschickt, weshalb die Crew die Unfallstelle rasch findet. Vor Ort wird sofort klar, dass sich Yves Apothéloz in einer äusserst prekären Lage befindet: Wenn sich der Helikopter dem Verunfallten zu sehr nähert, besteht die Gefahr, dass der Abwind den an den Knöcheln Baumelnden in eine Hin-und-Her-Bewegung bringt und dessen Füsse aus der Seilschlinge rutschen könnten. Zudem befindet sich Yves Apothéloz unter einem Felsüberhang, weshalb er nicht direkt mit der Rettungswinde geborgen werden kann.

Die Crew entscheidet deshalb, den Rettungsspezialisten Helikopter Nicolas Rouge rund 20 Meter nördlich auf dem Klettersteig abzusetzen. Rettungssanitäter Karim Hamdi bedient die Rettungswinde und setzt den Rettungsspezialisten punktgenau ab. Dabei ist höchste Präzision gefragt, denn der Pilot kann weder Nicolas Rouge noch den Absetzort direkt unterhalb des Helikopters sehen. Er muss sich voll und ganz auf die Richtungsanweisungen von Karim Hamdi verlassen. 

Zusätzliche Unterstützung angefordert

Nachdem der Rettungsspezialist Helikopter auf dem Klettersteig abgesetzt wurde, ruft er Yves Apothéloz zu, er solle durchhalten. Bei ihm angekommen, sichert er ihn mit dem Bergedreieck an den Hüften und kann ihn so wieder in eine sitzende Haltung bringen. «Dass jemand bei mir war, hat mich beruhigt», sagt Yves Apothéloz. Nicolas Rouge realisiert jedoch, dass er Unterstützung benötigt, um den Verunfallten abzuseilen, und teilt dies Karim Hamdi via Funk mit. Die Rega-Crew fordert deshalb bei der Einsatzzentrale einen weiteren Rettungsspezialisten Helikopter an. 

Weil die Lausanner Crew in Yves Apothéloz’Nähe bleiben will, damit sie sofort eingreifen kann, sollte sich dessen Gesundheitszustand verschlechtern, bietet die Einsatzleiterin einen zweiten Rettungshelikopter auf. Sie weiss, dass die Rega-Crew der Basis Bern gerade einen Einsatz in Lausanne abgeschlossen hat, und beauftragt die Berner Crew damit, Yann Seidel, einen zweiten Rettungsspezialisten Helikopter, abzuholen und ihn zum Einsatzort zu fliegen. 

Rettung mit der Rettungswinde

Nachdem Yann Seidel beim Klettersteig abgesetzt wurde und sich zu den beiden Personen unterhalb des Überhangs abgeseilt hat, lassen die zwei Rettungsspezialisten den Verunfallten am Seil rund zehn Meter nach unten auf ein freies, für den Einsatz mit der Rettungswinde geeignetes Gelände hinunter. Von dort evakuiert die Crew ihn an der Rettungswinde, bevor er von der Notärztin medizinisch erstversorgt wird. «Der Augenblick, als wir aus der Wand herausflogen, war absolut fantastisch», erinnert sich Yves Apothéloz. Er und alle Beteiligten werden sich noch lange an den Einsatz erinnern und daran, wie das Leben von Yves Apothéloz am sprichwörtlichen Faden hing.

Damit ein Helikopter überhaupt fliegen kann, muss der Rotor des Helikopters eine grosse Luftmasse nach unten drücken. Dieser Effekt wird als «Abwind» oder «Downwash» bezeichnet. Der starke Luftstrom kann eine Geschwindigkeit von bis zu 100 km /h erreichen und tritt besonders stark beim Schwebeflug auf. Den Downwash müssen die Crews während einer Rettung immer berücksichtigen, weil er in gewissen Situationen eine Gefahr für Patienten, Crews und Dritte darstellen kann.
So können in der Nähe von Häusern leichte oder nicht festgemachte Gegenstände wie Sonnenschirme, Gartenmöbel etc. weggeweht werden. Heikel sind auch Situationen, in denen ungesicherte Personen in exponiertem Gelände vom Abwind aus dem Gleichgewicht gebracht werden könnten. Um die Wirkung des Abwinds zu begrenzen, passt die Rega-Crew ihren Flugweg an und hält bei einer Windenrettung möglichst viel Abstand zwischen dem Helikopter und den Rettern und Patienten am Boden.